Äpfel und Finnen


Naheliegend

Seit geraumer Zeit hört und liest man im Zusammenhang mit der Elektromobilität vom Schicksal Nokias. Erst letzten Monat bemühte der Vorstandsvorsitzende von Volkswagen dieses Beispiel. In der SZ heißt es: "Nokia gilt Volkswagen als Warnung". Nokia war einmal der unangefochtene Weltmarktführer im Bereich der Mobiltelefone. Als etabliertes Unternehmen tat man sich mit dem Aufkommen der Smartphones schwer. Nach wenigen Jahren dominierten ganz andere Firmen das Geschäft mit mobilen Geräten, mit denen man auch telefonieren kann.

Wenn es um die Verbreitung von modernen (batterieelektrischen) Elektroautos geht, wird prophezeit, dass es dem Verbrennungsmotor bald ähnlich gehen würde. Meiner Meinung nach hinkt dieser Vergleich aus mehreren Gründen.

Und doch so fern

  1. Der Weltmarkt für Autos (mit denen man auch telefonieren kann) ist unter vielen Unternehmen aufgeteilt. Nokia dominierte zeitweise den Markt deutlicher als es irgendein Autobauer heute tut.
  2. Smartphones sind letztlich eine gänzlich andere Geräteklasse als Handys ("Feature Phones"), während PKW mit Verbrennungsmotor und PKW mit Elektromotor grundsätzlich erst einmal dieselben Funktionen erfüllen. Das ist beim Vergleich der autonomen Fahrzeuge mit manuell bedienten Fahrzeugen hingegen anders.
  3. Der Vergleich wird meist zwischen Tesla und Apple gezogen. Apple war, als es Nokia mit der Einführung des iPhones ins Wanken brachte, bereits Jahrzehnte am Markt. Tesla ist ein jüngeres Unternehmen.
  4. Automobilbau gilt in einigen Ländern als Schlüsselindustrie. Die Länder, aus denen die Automobilbauer stammen, sind vermutlich eher bereit ihren Autobauern beizuspringen als Finnland es je gekonnt oder gewollt hätte.
  5. Die Produktzyklen sind bei Autos länger als sie es bei Mobiltelefonen sind.

Besser gesagt

Unweigerlich ruft die Diskussion um Elektroautos Bilder und Parallelen in Erinnerung, von denen Apple und Nokia nur eines ist. Andere sind Kassette und CD, CD und Streaming, Fernsehen und Streaming, Digitalkamera und Smartphone (mit dem man auch telefonieren kann) usw.

Deutliche Parallelen zeigen sich aber vor allem bei einem Beispiel: Festplatten und Solid-State-Drives (SSDs).

  1. Festplatten (rotierende Magnetspeicher) und SSDs erfüllen zunächst die gleiche Funktion: Das Speichern von Daten.
  2. Festplatten sind wie Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mechanisch komplexer als ihre Pendants SSD und Elektroauto.
  3. SSDs hatten, gerade zu Beginn ihrer Verbreitung, deutlich geringere Kapazitäten als Festplatten. Bei Autos ist es analog mit der Reichweite.
  4. Preislich spielten SSDs lange Zeit in einer anderen Liga als Festplatten. Man setzte sie nur ergänzend zu Festplatten ein oder nahm Abstriche in Kauf.
  5. Die Herstellung von SSDs gilt als energieaufwändiger, im Betrieb verbrauchen sie hingegen häufig weniger Energie als Festplatten.
  6. SSDs hatten gerade zu Beginn den Ruf weniger haltbar zu sein als Festplatten. Die Vorstellung dominiert noch das Bild von den Akkus in Elektroautos.

Viele der einstigen Nachteile von SSDs gegenüber Festplatten haben sich mittlerweile relativiert. In mobilen Geräten gehören sie inzwischen zum Standard. Auch stationär und selbst in Rechenzentren dominieren sie in vielen Anwendungen.

Ausblick

Niemand möchte heute noch freiwillig im Notebook auf eine SSD zu Gunsten einer Festplatte verzichten. Es wird mich nicht überraschen, wenn dies in ein paar Jahren auch über Elektroautos gesagt wird, wenn ein Verbrenner die Alternative ist. Festplatten haben heute noch ihre Berechtigung für bestimmte Anwendungen und werden dies absehbar noch eine Weile tun. Ähnliches gilt möglicherweise in Zukunft für Auspuffautos.