Jetzt geh' schon app!


Status: Lade ich und wenn ja seit wann?

Man sucht sich die Ladesäule nicht immer aus, aber bisher hatte ich mit den Schnellladern von Innogy noch keine wirklich schlechten Erfahrungen gemacht. Zugegeben, die eCharge+ App ist nicht unbedingt der Hit, aber wenn man Gedult mitbringt, funktioniert sie leidlich.

Ende Juli sollte mich Innogy um eine Erfahrung bereichern. Nachdem ich die Ladung über die App gestartet hatte, machten die Familie und ich Pause. Alles ging seinen Gang und die Ladezeit verstrich nebenher von ganz allein. Auf dem Rückweg von der Raststätte zu den Bänken im Schatten ein kurzer Blick aufs Handy: Ladung beendet. Ladedauer 0 Minuten. Kurz stieg der Puls, aber ein Blick zum Auto rüber beruhigte mich und auch die Ohren bestätigten, dass der Ladevorgang noch aktiv war. Das Auto blinkte noch wie es sollte, die Lüfter der Ladesäule liefen auf vollen Touren (bei immerhin über 40°C im Schatten).

Wir wollten die Fahrt dann bald fortsetzen, denn die Ladezeit war bereits mehr als ausreichend, um für die letzte Etappe gerüstet zu sein. Nun kann man die Ladesäulen von Innogy nur per App freischalten und benötigt ebenso die App, um den Ladevorgang sauber wieder zu beenden. Die Ladesäule zeigte also einen laufenden Ladevorgang an, die App aber war der Meinung der Ladevorgang wäre beendet. Im Gegenteil: Sie war der Meinung der Ladeanschluss der besagten Säule wäre belegt. Gut, kein Problem: App beenden und neustarten. Doch auch das änderte nichts daran. Der App gelang es nicht, sich davon überreden zu lassen, dass dort ihr Ladevorgang lief.

An dieser Stelle darf man sich nun fragen, wo eigentlich der Zustand der Säule gehalten wird und welches Teil des Systems führend ist: Die Säule? Ihr Backend? Oder gar die App?

Der Ladevorgang ließ sich also erstmal nicht sauber beenden, doch alle wollten nach Hause. Zur Erläuterung: Schnellladesäulen, egal ob CHAdeMO oder CCS verriegeln vor Beginn des Ladevorgangs auf Fahrzeugseite den Stecker. Und so kam es zu einer Verkettung unglücklicher Umstände. Es gibt noch zwei echte Auswege in diesen Situationen:

  1. Notaus der Säule
  2. Entriegelung am Fahrzeug

Die erste Option ist bei über 40°C im Schatten keine schlaue Idee, denn dann würden schlagartig die Lüfter der Säule zum Stehen kommen und es könnte sich Hitze stauen. Das ist ähnlich wie bei einem Beamer, dem man einfach den Strom kappt. Die Lebensdauer leidet darunter. Die zweite Option hat den Haken, dass beim Kia Soul EV keine fahrzeugseitige Möglichkeit zur Entriegelung besteht. Es gibt lediglich eine Notentriegelung. Die funktioniert aber mechanisch, ist mit dem Öffnen der Motorhaube und einigermaßen Gefummel verbunden. Aber vielleicht hilft ja die Hotline? Kurz: Nein. Die ist zwar rund um die Uhr besetzt, trotzdem verbringt man erstmal etwas Zeit in der Warteschleife.

Zur Rettung kam ein ganz anderer bittersüßer Umstand. Der Akku des Kia Soul EV hat mit 30kWh eine überschaubare Kapazität. Und bei 94% Ladestand bricht das Fahrzeug am Schnelllader grundsätzlich immer die Ladung ab. Und genau diese 94% waren erreicht während ich noch zum zweiten oder dritten Mal (in einem kurzen Zeitfenster) versuchte an der Hotline jemanden zu erreichen. Und wenn die Ladung fahrzeugseitig beendet ist, wird auch der Stecker entriegelt und so hatte der Spuk ein Ende. Glück im Unglück also, denn bei einem moderneren Auto mit einem größeren Akku und einer Ladung bis durch zu 100% hätte das noch weit weniger glimpflich ausgehen können.

App küsst Beton

Was lernt man daraus? (Und lernt man in der Branche auch daraus?)

Da wäre zunächst der Zwang, die Säule per App freischalten zu müssen. Das kann schnell nach hinten losgehen, denn es müssen allerlei Voraussetzungen erfüllt sein, bevor das funktioniert:

  • Ein Smartphone muss vorhanden sein.
  • Der Akku des Telefons ist ausreichend geladen. Mangels Ladekabel kann man das nicht immer mit Hilfe des Autos korrigieren.
  • Die richtige App muss installiert sein.
  • Das Telefon muss im richtigen Netz sein, damit es halbwegs Empfang hat, was entlang von Fernstraßen nicht immer gegeben ist.

Schon eine Unachtsamkeit kann daher ausreichen und man bleibt mit dem Fahrzeug unfreiwillig liegen, denn wenn das Smartphone mitsamt App den Asphalt küsst, hilft einem auch keine Hotline mehr und kein Bargeld und bei Ladesäulen mit App-Zwang eben auch keine Ladekarte.

Eine Karte als Fallback

Ein anderer Punkt ist das fehlende Zusammenspiel zwischen App und Ladekarte. Grundsätzlich erwarten viele Ladesäulen, dass man sich sowohl zum Freischalten des Ladevorgangs als auch zum Beenden des Ladevorgangs an der Säule authentifiziert. Das ist grundsätzlich nicht dumm, denn sonst könnte jeder Troll den Ladevorgang stören, während man sich vom Fahrzeug entfernt, wie es z.B. bei den meisten kostenlosen Schnellladern möglich ist. Nur wird in diesem Fall erwartet, dass man das identische Medium verwendet. Aber warum soll man den Ladevorgang nicht mit der App eines Anbieters freischalten und mit der Ladekarte des gleichen Anbieters (selbes Kundenkonto vorausgesetzt) beenden können? Ja, das würde die Implementierung etwas komplizierter machen und manchmal weiß die App ja schon nicht mehr, dass die Ladesäule überhaupt noch lädt...

Und nicht zuletzt ist es Ladekarten egal, ob sie aus 0,2 Meter, zwei oder zwanzig Metern Höhe auf den Boden fallen oder baden gehen. Als letztes Mittel hat die Ladekarte also noch immer ihre Berechtigung.